Standfest und umweltfreundlich
Die SHEET CAST Technologies GmbH hat zukunftsweisende Bremsscheiben für Pkw entwickelt. Damit wollen die Münchner den Markt gehörig aufmischen.

Dass die Juroren die SHEET CAST-Lösung zu den Top-Innovationen zählen, hat gute Gründe. So reduziert sich das Bauteilgewicht gegenüber den klassischen einteiligen Grauguss-Bremsscheiben bei gleichem Wirkungsgrad um bis zu 15 Prozent. Dank Leichtbauweise, die im Prinzip auf der Kombination von Gussmaterial und speziellen ,,radialelastischen" Stahleinlegern basiert, sinken auch der Kraftstoffverbrauch sowie der Kohlendioxidausstoß. Zwar beläuft sich der Gewichtsvorteil bei einem Mittelklasse-Pkw nur auf etwa 4 bis 6 Kilogramm. ,,Wenn unsere Verbundbremsscheibe in Großserien-Pkws zum Einsatz kommt, werden sich unterm Strich enorme Gewichtseinsparungen ergeben, die sich weltweit auf viele tausend Tonnen addieren," betont SHEET CAST-Chef Karlheinz Herzog und ergänzt: ,,Die Technik eignet sich im Übrigen auch für den Einsatz in Nutz- sowie in Schienenfahrzeugen." Zusätzliche Gewichtseinsparungen ermöglichen in Zukunft weitere Varianten, bei denen die Bremsscheibentöpfe aus Leichtmetall bestehen.
Bremsscheiben gehören zu den besonders stark belasteten Bauteilen im Automobil. Diese müssen nach Kenntnissen des Düsseldorfer Stahl-Informations-Zentrums etwa 90 Prozent der beim Bremsen umgesetzten Wärmeenergie aufnehmen. Die in der Großserie üblicherweise eingesetzten Bremsscheiben aus Grauguss verformen sich jedoch bei thermischer Belastung. Die Ursache hierfür liegt in der einteiligen Bauweise: Der Reibring ist direkt an den Bremsscheibentopf angebunden und kann sich daher bei Erwärmung nicht ungehindert ausdehnen. Diese auch als ,,Schirmung" bezeichnete Verformung führt den Experten zufolge letztlich zu einer ungleichmäßigen Abnutzung der Bremsscheibe und zu einem oft deutlich spürbaren Bremsenrubbeln.
Um den ,,Schirmungs-Effekt" sowie das Bauteilgewicht zu reduzieren, haben die Bremsscheibenhersteller mehrteilige Verbundbremsscheiben entwickelt, bei denen Reibring und Bremsscheibentopf separat ausgeführt sind und spezielle Verbindungselemente, wie zum Beispiel Passstifte, eine freie Wärmeausdehnung ermöglichen. Doch die Produktion gerät für diese Art von Verbundbremsscheiben derart kostspielig, so dass sie nur für Kleinserien in Oberklassefahrzeugen oder in Sportwagen zum Einsatz kommen.
Bei der SHEET CAST-Lösung indes wurde vom Start weg auf Großserientauglichkeit geachtet, so dass sich die mehrteiligen Bremsscheiben kostengünstig herstellen lassen. ,,Im Vergleich mit den gebräuchlichen Verbundbremsscheiben sinken die Produktionskosten um mehr als die Hälfte", bekräftigt SHEET CAST-Erfinder Holger Lathwesen den Kostenvorteil.
Der Dreh bei der patentierten Technik, für die eine Entwicklungszeit von rund 18 Monaten veranschlagt wird: Das Einlegeteil aus elastischem Stahlblech übernimmt die Verbindung vom Bremsscheibentopf zum Reibring, die beide aus Grauguss bestehen. Die Verbundbremsscheibe wurde damit so konzipiert, dass sich der Reibring im Betrieb nahezu ungehindert ausdehnen kann. Damit reduziert sich der nachteilige Effekt der ,,Schirmung" auf ein Minimum. Der Topfbereich der Bremsscheibe wird durch die Verbindungselemente thermisch gleichsam entkoppelt. Effekte: Weniger Rissbildung sowie weniger Materialverschleiß, so dass die Bremsscheiben weitaus seltener ausgetauscht werden müssen . Zudem vermindert sich der Verschleiß von weiteren hitzeempfindlichen Bauteilen (beispielsweise Radlager) deutlich.
Das Marktpotenzial ftir die neue Leichtbau-Bremsscheibe ist jedenfalls riesig. ,,Weltweit werden pro Jahr rund 240 Millionen Bremsscheiben hergestellt, davon je ein Drittel in Europa, in Asien und in Nordamerika", sagt Herzog. Bereits für das Jahr 2013 peilt er europaweit einen Marktanteil 5 bis 10 Prozent an. SHEET CAST Technologies produziert im Übrigen nicht in Eigenregie, sondern übergibt die Fertigung komplett an einen der großen Bremsscheiben-Hersteller.
Herzog und Lathwesen kennen das Geschäft. Im Jahr 2006 gründeten sie in Ingolstadt die Ingenieurgesellschaft Cedas GmbH, die komplexe Guss- und Blechbauteile für die Automobil-, Nutzfahrzeug- und Schienenfahrzeugindustrie entwickelt. ,,Unserer Leichtbaukompetenz haben wir unseren Erfolg zu verdanken." sagt Herzog. Cedas hat mittlerweile rund 40 Mitarbeiter. ,,Wir haben auch im Krisenjahr 2009 Mitarbeiter eingestellt", freuen sich die Unternehmer.
Quelle: Wirtschaft (Das IHK-Magazin für München und Oberbayern) - Ausgabe 03/2010